Ein falsches Signal: Steuersenkung auf fossile Energieträger
Steigende Energiepreise sind von der Bundesregierung gewünscht, um im Kampf gegen den Klimawandel einen wichtigen Schritt in die richtige Richtung zu gehen. Eine stärkere schrittweise CO₂-Bepreisung hatte die Regierungskoalition im Mai letzten Jahres beschlossen. Kaum aber steigen Energiekosten tatsächlich marktbedingt an, fordern erste Politiker ein Gegenlenken: Allen voran CSU-Chef Markus Söder, der eine Senkung der Mehrwertsteuer auf Energie und Kraftstoffe verlangt. Ein ermäßigter Mehrwertsteuersatz auf Energie und Kraftstoffe würde die Bürger von den schlimmsten Härten entlasten, habe der CSU-Chef der „Bild am Sonntag“ erklärt und darüber hinaus eine Preisbremse für den Winter sowie eine Gasstrategie gefordert, um die Energieversorgung zu sichern. Dazu gehöre auch die Inbetriebnahme der umstrittenen deutsch-russischen Gaspipeline Nord Stream 2. „Das zeigt vor allem den Willen, am Status Quo festhalten zu wollen“, beobachtet Sebastian Igel, Vorstand der Energie-Admin AG. „Damit wir unsere Klimaziele erreichen können, fehlen uns heute vor allem couragierte Politiker und Persönlichkeiten, die an ihren Aussagen festhalten.“
Kurz nach der Hochwasserkatastrophe im vergangenen Sommer, die mindestens 180 Menschen getötet und tausende Haushalte zerstört hatte, sprach Markus Söder von epochalen Veränderungen, die nötig seien – entweder man verstehe die Warnrufe oder man werde in Zukunft mit dramatischen Folgen konfrontiert. „Wir sind es unseren Kindern schuldig, dass wir uns nicht aus Angst vor Lobbygruppen, vor Leugnern oder vor Ewiggestrigen vor der Verantwortung drücken“, wird Bayerns Ministerpräsident im Juli zitiert. Auch werde man die CO₂-Bepreisung noch einmal genau in den Blick nehmen und die Preisentwicklung straffen. Also jene CO₂-Abgabe, die CSU, CDU und SPD selbst eingeführt haben und die Benzin, Diesel und Heizöl bis zum Jahre 2025 um 15 bis 17 Cent je Liter verteuern soll. Keine vier Monate später wird Söder vom Umwelt- zum Benzinpreisschützer und fordert ein Absenken der Mehrwertsteuer auf Energie und Kraftstoffe.
In den vergangenen Monaten waren die Gaspreise förmlich explodiert, aber auch Öl, Benzin, Diesel oder Strom wurden deutlich teurer. Preistreiber sind vor allem die Rohölpreise, die wegen großer Nachfrage so hoch notierten wie seit Jahren nicht. Steuern und Abgaben bestimmen dabei zum Großteil die Kraftstoffpreise: Bei Diesel sind das aktuell etwa 25 Cent Mehrwertsteuer, gut 47 Cent Mineralölsteuer und knapp acht Cent aus der kürzlich eingeführten CO2-Abgabe. Wenn jetzt aber fossile Kraftstoffe per Steuersenkung künstlich verbilligt werden, sinkt der Sprit-Spar-Anreiz. Schlimmer noch: Viele bauen künftig darauf, dass auch in Zukunft jede Preisspitze abgefedert werde.
Es wird noch teurer
Machen wir uns nichts vor: Energie- und Kraftstoffpreise werden in den kommenden Jahren und Jahrzehnten immer wieder mal abrupt anziehen. Das wird insbesondere dann der Fall sein, wenn Regierungsverantwortliche weltweit tatsächlich die viel beschworenen Energiewende umsetzen. Just zum Jahresanfang wurde der CO₂-Zertifikatehandel für alle Verbraucher auf Gas, Heizöl, Benzin in Deutschland ausgeweitet. „Der Verbrauch fossiler Energieträger soll damit verteuert und unattraktiver werden“, benennt Sebastian Igel die Ziele. „Diese preisliche Lenkungswirkung ist beabsichtigt, damit weniger Energie verbraucht wird.“ Gleichzeitig werde in der öffentlichen Diskussion immer klarer, dass wir (Menschen) weitaus ambitioniertere Maßnahmen als die bisherigen Lippenbekenntnisse ergreifen müssen, um den Klimawandel zumindest zu verlangsamen.
Die aktuelle Situation sei für viele Menschen schwierig, aber die Preise für Strom, Heizöl, Diesel und Gas steigen generell in den Herbstmonaten. Zudem hat Russland die Gaslieferung nach Europa kurz vor dem Klimagipfel in Glasgow gedrosselt. „Das kann Zufall sei, muss aber nicht“, erläutert Sebastian Igel. „Als von maximal hohen Energiepreisen und einem großen Absatz abhängiger Staat, hat Russland kaum ein Interesse daran, dass der Umstieg auf erneuerbare Energien gelingt.“ Zusammen mit der zusätzlich hohen Nachfrage nach Energieträgern durch ein Anziehen der Wirtschaftsentwicklung kommt die preisbedingte Lenkungswirkung schneller als erwartet. „Das ist auch gut so“, sagt Sebastian Igel, „und die Forderung nach einer Mehrwertsteuersenkung auf Energie und Kraftstoffe erscheint vor diesem Hintergrund absurd.“ Natürlich sei es nicht schön, dass der Staat über die Umsatzsteuer an den hohen Energiepreisen sozusagen mitverdiene, aber der Staat seien schließlich alle Bürgerinnen und Bürger eines Landes und die Mehreinnahmen ließen sich gezielt für alle nutzen: Förderung des ÖPNV, Solarförderung für Mieterstromprojekte nur in Mehrfamilienhäusern oder in sozial benachteiligten Quartieren, so dass auch die Einkommensschwachen von günstigem Strom profitieren können. „Die fetten (Energie-)Jahre sind vorbei“, weiß Sebastian Igel. „Mit staatlichen Zuschüssen zur Energieverschwendung wird das nichts mit den selbst gesteckten Klimazielen!“